Bevor in den 1980-er Jahren die Zehlendorfer Gartenstadt Düppel entstand, gab es eine städtebauliche Planung anderer Größenordnung. Zwischen Potsdamer Chaussee und Königsweg, Waldfriedhof und Lindenthaler Allee war die Stadtrandsiedlung Düppel-Nord für mehrere tausend Bewohner geplant. Nach dem Mauerbau 1961 musste im Westteil der Stadt vermehrt Wohnraum geschaffen werden und die Planungen des Senats nutzten Freiflächen da und dort bis dicht an die Sektorengrenze. So auch hier im Zehlendorfer Süden. Als die Planungen bekannt wurden, veranstaltete die Kirchengemeinde Schlachtensee 1971 einen Informations- und Diskussionsabend. Der Abend wurde zum Impuls für die Gründung der Bürgerinitiative Düppel-Nord. Es gab einerseits das Interesse, das damalige städtische Jugendheim „Jugendhof“ an der Lissabonallee in die Planungen einzubeziehen, andererseits waren viele andere Fragen der Infrastruktur für die neue Siedlung zu bedenken.
In Zehlendorf gab es engagierte und sachkundige Bürgerinnen und Bürger, die sich für diese Überlegungen zuständig machten, sich in der Bürgerinitiative organisierten und zu einem kritischen Gegenüber für das Bezirksamt und den Senat wurden. Die Kirchengemeinde Schlachtensee arbeitete in der Bürgerinitiative mit. Sie war ohnehin seit vielen Jahren mit dem Geschehen im Bereich Düppel eng verbunden.
So baute Pfarrer Jürgen Kleiner Angebote für die Jugendlichen im Jugendhof auf und war dann auch der erste kirchlich beauftragte Mitarbeiter in der Bürgerinitiative.
Ab 1975 habe ich die Arbeit von Pfarrer Kleiner fortgesetzt. Dazu gehörte der Versuch, die Isolation der Jugendhof-Jugendlichen zu überwinden durch Kontakte und Veranstaltungen mit Jugendlichen aus der Gemeinde Schlachtensee. Aufgrund der Erfahrungen erschien uns wichtig, dass sich die Kirche an der öffentlichen Diskussion um die Gestaltung der geplanten Siedlung Düppel-Nord beteiligt. Der Kirchenkreis Zehlendorf hatte eigens eine Kreispfarrstelle geschaffen, um die vorlaufende Infrastruktur- und Sozialplanung für das Neubaugebiet zu unterstützen. Das war eine ungewöhnliche und eine zugleich weitsichtige und verantwortungsvolle Entscheidung. Sie orientierte sich an einer Einsicht aus der Gemeinwesenarbeit. Es sollte im Prozess der Planung und der Realisierung des Bauvorhabens Anwälte geben für die Interessen und Belange der künftigen Bewohner. Als solche Anwälte haben wir das Gespräch gesucht mit den Planern und den Politikern. Wir haben das Augenmerk auf die bereits vorhandenen Einrichtungen und die örtlichen Gegebenheiten gerichtet. Nicht nur der schon erwähnte Jugendhof war zu berücksichtigen, sondern auch das Kinderheim Lindenhof am Königsweg, das Museumsdorf Düppel und die Justizvollzugsanstalt Düppel. Für die Kirche war ihre Mitarbeit in dieser Anwaltsplanung ein Ausdruck ihrer Bereitschaft, öffentliche Verantwortung zu übernehmen und nachbarschaftliches Zusammenleben zu fördern. Alle Bemühungen kamen ins Stocken als deutlich wurde, dass das amerikanische Militär in einem Teilbereich des Planungsgebietes eigenen Wohnungsbau für Militärangehörige beabsichtigt. Etwa 1977/1978 wurde klar, dass die Siedlung Düppel-Nord nicht so wie angedacht gebaut werden wird. Natürlich waren wir in der Bürgerinitiative wie in der Kirchengemeinde enttäuscht darüber, dass nach jahrelangem Engagement sich nun alles als vergebliche Mühe herausstellte. Andererseits blieb es für viele Beteiligte ein wichtiger Lernprozess.
Es kann sinnvoll und auch sehr verantwortlich sein, sich öffentlich zuständig zu machen für Menschen, die in der aktuellen Situation noch gar nicht namhaft zu machen sind, die aber von einer Planung und Entwicklung betroffen sein werden.
Initiative zu ergreifen, auch wenn es nicht um eigene Belange geht, sondern um die Interessen noch unbekannter, erst noch hinzukommender Menschen, das ist eine Einübung in sozial rücksichtsvolle und weitsichtige Verantwortung. Wenn wir solch eine vorausschauende Verantwortung einüben bei dem, was sich vor unserer Haustür abspielt, werden wir sie nicht so leicht vergessen bei den Lebens- und Überlebensfragen, die unsere noch unbekannten Enkel und Urenkel betreffen werden.
Lothar Wittkopf
Lothar Wittkopf war von 1975 – 1982 Pfarrer in der Kirchengemeinde Schlachtensee und hatte vom Kirchenkreis Zehlendorf den Auftrag zur kirchlichen Arbeit im Jugendhof Schlachtensee und zur Mitarbeit bei der Planung der Siedlung Düppel-Nord.