GiG-Kalender Mai 2019

 GiG-Kalender Mai 2019 

Pflegeglück im Kiez

Nach der Flucht aus Ostpreußen landeten wir (unsere Mutter, Großmutter, meine Schwester und ich) 1946 in einem kleinen Ort nahe Göttingen in Niedersachsen. Unsere Großmutter verstarb leider kurz nach unserer gelungenen gemeinsamen Flucht ein paar Tage vor Weihnachten 1946.

Da meine Schwester und ich nicht für immer dortbleiben wollten, begann 1959 mit Anfang 20 unsere Berufstätigkeit in Berlin, da hier eine Tante von uns lebte. Zuvor hatten wir unsere Ausbildungen zur Krankenschwester und Erzieherin für schwererziehbare Kinder in Hannover erfolgreich abgeschlossen. Unsere Mutter, die unter einer schweren Herzerkrankung litt, wollten wir bei uns haben und in der für sie schweren Zeit nicht allein in Niedersachsen zurücklassen. Da zu damaliger Zeit es mit den Wohnungen noch sehr knapp war und wir beide nur zur Untermiete je ein Zimmer hatten, konnten wir sie nicht zu uns holen. Ich selbst wohnte bereits in Wannsee.

Villa

Nach meiner Heirat 1961 haben wir meine Mutter zu einem Besuch nach Berlin geholt. Wir konnten sie überreden, ganz nach Berlin zu kommen. Leider war der Wohnungsmarkt immer noch sehr schlecht und unsere Wohnung (2 Zimmer) war zu klein, um sie dauerhaft zu beherbergen.

Im Laufe der Zeit hatte sich der Gesundheitszustand meiner Mutter sehr verschlechtert. Nach Rücksprache mit dem Arzt aus der Klinik in Göttingen, wurde mir gesagt, dass unsere Mutter nicht mehr alleine bleiben könne. Sie brauche tägliche Betreuung und Pflege, ebenso ärztliche Hilfe. Dies konnten wir aber aufgrund unserer beruflichen Tätigkeiten nicht leisten.

Zu der damaligen Zeit war das noch ein Problem, denn es gab noch keine Pflegeheime, Seniorenresidenzen oder Hospize. Zu unserem Glücke arbeitete ich zu diesem Zeitpunkt als Krankenschwester im Krankenhaus am Großen Wannsee. Die vorsitzende Oberin nahm sich meines Problems an und riet mir, den Kontakt zu den Sozialdiensten des Bezirkes aufzunehmen.

Über die damaligen Sozialdienste des Bezirksamtes Zehlendorf ergab sich die Möglichkeit in Nikolassee ein Haus, das private Pflege leistete, in der Lückhoffstraße kennenzulernen. In der kleinen, alten Stadtvilla konnte eine geriatrische Betreuung unserer Mutter gewährleistet werden, wobei glücklicherweise die damalige Pension von ihr ausreichte, um die Kosten zu decken.

Hier konnten wir die Mutter 1963 in ein kleines, gemütliches Zimmer bringen, in welchem sie sich wohl fühlen konnte und so gelang ihr das Einleben in Berlin in kurzer Zeit. Hier wurde sie gepflegt und versorgt, es gab auch eine freie Schwester in dem Haus, die sich liebevoll um sie kümmerte. Leider konnten wir die Mutter nur noch einmal zu uns nach Hause holen – zu ihrem Geburtstag.

Sie verstarb bereits 1965 im Krankenhaus am Großen Wannsee und wurde im Waldfriedhof an der Potsdamer Chaussee beigesetzt.

Es war ein großes Glück für uns, dass es dieses Haus gab, dadurch hatten wir die Mutter in unserer Nähe und wussten sie gut betreut.

Von Marianne Leupold

 

Kalenderblatt Mai

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