Es muss wohl 1976 gewesen sein – ein trüber Novemberabend.
Wie häufig in dieser Zeit vor den anstehenden Abiturprüfungen saßen wir im Club 18. Das war die legendäre Kneipe im Studentendorf Schlachtensee. Der Name hatte nichts damit zu tun, dass man dort erst mit 18 Jahren hineinkam. Der Club hieß genau genommen Club A18, weil er an der Potsdamer Chaussee lag, an der auch zu vorgerückter Stunde noch der 18er Bus fuhr. Daran hat sich im Prinzip nichts geändert. Nur der Bus heißt heute 118.
Der Novemberabend im Jahr 1976 zog sich in die Länge. Und da kamen nicht wenige auf die abenteuerlichsten Ideen. So auch wir: Zwei Mitschüler aus der Schadow-Schule und ich. Was machen mit dem angebrochenen Abend? Ich weiß nicht mehr, wer von uns den Vorschlag machte. Jedenfalls stieß er auf deutliche Resonanz: Einfach mal raus aus Zehlendorf. Nein! Mehr noch: Raus aus Westberlin.
Gesagt – getan. Wir fuhren mit unseren Mopeds nach Dreilinden, stellten uns an den Grenzkontrollpunkt – und es dauerte nicht lange: Dann hielt ein VW-Käfer, der uns mitnahm – nach Helmstedt. Da fahren heutzutage nicht mehr viele freiwillig hin. Wir schon. Unser Ziel: Wir wollten einen Kaffee oder ein weiteres Kaltgetränk auf der anderen Seite der Transitstrecke zu uns nehmen. Und anschließend sofort wieder zurücktrampen.
Und so brachten wir diese Nacht hinter uns. Auf dem Rückweg besuchten wir noch [traditionsgemäß] den Intershop, kauften den Wodka mit dem Bisongras [der Name ist mir entfallen], eine Blechdose Quality-Street und eine Stange Zigaretten. Weit nach Mitternacht waren wir wieder in Zehlendorf – in unserem vertrauten, geliebten Zehlendorf.
Am nächsten Tag dann das allwöchentliche Telefongespräch mit meinen Eltern, die danach fragten, was ich so am Wochenende gemacht hätte.
„Nix Besonderes“ war meine Antwort.
Komisch, dass ich mich über 40 Jahre später noch daran erinnere. Es muss wohl doch etwas Besonderes gewesen sein …
Von Wolf-E. Fahle