GiG-Kalender September 2019

 GiG-Kalender September 2019 

In der Marinesiedlung oder
das Bullerbü von Berlin

Vom Potsdamer Platz sind es nur 30 Minuten mit der S-Bahn. Aber steigt man am Schlachtensee aus, beginnt gefühlt der Urlaub: Im Sommer Freibad und Vogelzwitschern, im Winter Rodelhang und Schlittschuhbahn. Die denkmalgeschützten Häuser der Siedlung am Marinesteig sehen alle gleich aus. Sie stehen auf der grünen Wiese, eins neben dem anderen. Zäune sind kaum vorhanden, ein Zeltplatzgefühl kommt auf. Die Nähe ist groß – in jeder Hinsicht. Man kennt, hilft und schätzt sich. Es ist wie in Bullerbü. Von der Anonymität einer Großstadt keine Spur. Berliner Luft und Leichtigkeit statt Berliner Schnauze. Der Bund achtet als Eigentümer der Häuser und Wohnungen auf eine gemischte Mieterstruktur: Alt und Jung, Großfamilien und Alleinerziehende, Menschen mit und ohne Behinderung. Und weil alle gefühlt im Urlaub sind, ist die Stimmung entsprechend gut.

Eine Nachbarschaft der vielfältig zusammenlebenden Generationen – das erlebe ich mit meiner Familie zum ersten Mal. Zum Einzugstag in der Marinesiedlung hatten wir ein typisches Erlebnis. Wir kamen mit unserem Auto, noch mit polnischem Kennzeichen, vorgefahren. Das ältere Ehepaar von gegenüber kam nach einigen Stunden herüber, um uns zu begrüßen. Doch die rüstigen Rentner taten das nicht nur im klassischen Sinne mit Salz und Brot (das auch), sondern auch singend. Noch bevor wir die ersten Worte wechseln konnten, schallte das polnische Glücks- und Segenslied durch die Siedlung: Sto lat – Mögen sie 100 Jahre für uns leben. Und das einfach so, obwohl ja keiner von uns Geburtstag hatte. Was für ein Empfang! Seitdem stehen wir im regelmäßigen Kontakt, auch intergenerationelle Geburtstagsfeiern gehören selbstverständlich dazu. Und wir singen weiter miteinander auf offener Straße, zum Beispiel beim singenden Adventskalender. Doch nicht nur diese beiden Nachbarn haben uns das Einleben als sechsköpfige Familie einfach gemacht. Gerade die älteren Nachbarn nahmen uns und unsere Kinder ohne Vorbehalte auf und suchten rasch Kontakt. So durften wir zum Beispiel den 90. Geburtstag einer alleinstehenden Nachbarin mitfeiern.

Auch bei einer ungewöhnlichen Geburtstagsfeier haben uns die Nachbarn unterstützt. Dabei gingen zehn abenteuerlustige Grundschüler auf eine Nachtwanderung rund um den Schlachtensee, um zusammen mit meinem Mann „Einbrecher zu fangen“. Mit Taschenlampen und einem Schlauchboot bewaffnet, ging es auf „Verbrecherjagd“ in der lauen Septembernacht. Im Mondschein erhielten die Jungs von eingeweihten Nachbarn widersprüchliche Hinweise: Er ist da lang gelaufen, - nein, dort entlang. Dann mussten die Jungs über den dunklen See zur Boje mitten im See rudern, um Ausschnitte des „Fahndungsbriefs“ zu erhalten. Ergänzend schickte die „Polizei“ völlig echt aussehende Tipps und Hinweise über das Smartphone. Ein Wettlauf gegen die Zeit quer durch das Gestrüpp rund um den Schlachtensee begann. Wirklich verwirrend wurde die Einbrecherjagd durch ein paar Männer, die am See lungerten. Auch sie wurden in die Kriminalgeschichte eingebaut, ohne ihrerseits zu wissen, dass sie Teil des Spiels waren. Die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verschwammen. Richtig gruselig wurde es, als ein vermummter „Einbrecher“ hinter einem Baum hervorsprang: War das jetzt die Mutter des Geburtstagskinds oder ein echter Tunichtgut? Die Jungs entschieden sich dafür, die Verfolgung abzubrechen. Aber bei der Rückkehr zum Haus im Marinesteig fanden sie es aufgebrochen und geplündert vor (dies hatten in Absprache einige Nachbarn erledigt). Im Scheinwerferlicht konnten die Jungs die Täter auf der Straße schließlich „festnehmen“. Also war doch alles nur ein Spiel!?

Zur Nachbarschaft gehören nicht nur freundliche Menschen, sondern auch weniger freundliche Wildschweine, die die Vorgärten verwüsten. Besonders wenn sie in Horden auftauchen und Frischlinge bei sich haben, sind sie recht gefährlich. Doch es kann auch ungefährliche Erlebnisse geben. So saßen wir als Familie an einem Spätsommerabend im Garten und genossen den romantischen Blick in den Wald und auf den See. Auf einmal stand uns eine Wildschweinfamilie direkt gegenüber. Sie standen gleich am Gartenzaun und starrten uns an. Und wir starrten zurück. Die tierische und die menschliche Familie waren gleichermaßen erstaunt, allein durch einen kleinen, dünnen Drahtzaun voneinander getrennt. Erst nach einigen Minuten beschlossen die Wildschweine weiterzuziehen. So ging alles zum Glück ganz harmlos aus, und die Kinder waren ganz begeistert von den süßen Frischlingen. Doch was wäre wohl gewesen, wenn uns der Drahtzaun nicht getrennt hätte?

Von Karen v. Redecker

 

Kalenderblatt September 2019

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