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 GiG-Kalender Januar 2019 

RSSPrint

Das Schwedenheim

Das Schwedenheim in der Schopenhauerstr. 26 hat einen besonderen Platz in meinen Kindheitserinnerungen. Ich war dort im Januar 1952 zusammen mit meiner Schwester Erika.

Wir kamen aus Lebus/Oder, wo unser Vater von 1946-1953 als Pfarrer amtierte. Neben seinen seelsorgerischen Aufgaben war er auch für die Kriegsgräberfürsorge tätig, wodurch er im regelmäßigen Kontakt mit der entsprechenden Behörde in Westberlin stand. Als uns jemand von dort in Lebus besuchte, lernte er dabei natürlich auch die sieben Pastorenkinder kennen. Unsere Versorgungslage war damals immer noch einigermaßen prekär, so dass dieser Herr auf die Idee kam, zwei Kinder zur Erholung ins Schwedenheim am Schlachtensee zu schicken. Meine zwölfjährige Schwester wirkte wohl besonders erholungsbedürftig; ich, die Jüngste, fungierte eher als Begleitperson.

Der Kontrast zu dem kriegsversehrten Lebus konnte nicht größer sein. Die geräumige, großbürgerliche Villa mit Garten machte uns staunen. Es gab gut und reichlich zu Essen und jede Mahlzeit begann wie bei uns zu Hause mit einem Tischgebet. Jedes Mädchen bekam eine eigene Puppe. Auch Kleidung wurde verteilt. Die freundliche Schwedin, die für meine Schwester einen Pullover ausgesucht hatte und auch Ideen bereithielt, womit man das Kleidungsstück kombinieren könne, fragte sie: „Hast du ein weißes Krag nach Haus?“ Es ist erstaunlich, wie man solche grammatisch nicht ganz einwandfreien Formulierungen behält und auch den liebenswürdigen Tonfall auf die Frage.

Wir unserseits lernten ein bezauberndes schwedisches Frühlingslied, um es hochrangigen Personen einer schwedischen Delegation vorzutragen, die zu Besuch in Berlin weilten. Auch das habe ich noch im Gedächtnis.

Der Januar 1952 war so kalt, dass der Schlachtsensee zugefroren war und betreten werden konnte. Schlittschuhe hatten wir nicht, aber wir machten uns lange Schlidderbahnen auf dem Eis. Wie herrlich war es dann, mit roten Backen in die warme Villa heimzukehren und etwa einen heißen Kakao zu bekommen. Für mich war noch ein Höhepunkt mein 9. Geburtstag dort. Die Heimleitung hatte sich Festliches einfallen lassen: Ich betrat als Letzte den Frühstücksraum. Kerzen waren angezündet und die anderen Kinder standen Spalier und begrüßten mich mit Gesang. Am Nachmittag kam meine älteste Schwester zu Besuch. Sie hatte gerade an der FU ein Philologiestudium begonnen und brachte mir als Geschenk eine Mozart- Biographie mit dem Titel: „Donnerblitzbub Wolfgang Amadeus“. Das Buch habe ich noch heute wie ein kostbarer Schatz. Zum Lesen nutzte ich damals den verordneten Mittagsschlaf.

Noch heute denken meine Schwester und ich voller Dankbarkeit an diesen beglückenden Aufenthalt und das schwedische Hilfswerk, das ihn ermöglichte.

Von Frau Dr. F. F.

Letzte Änderung am: 09.01.2021